… schien alles in Ordnung
Anfang Mai sollte in Freiburg die OPEN ART in Freiburg stattfinden. Kunst im öffentlichen Raum, was für eine Fülle der Möglichkeiten! Wieder einmal wollte ich die Menschen an meinem Projekt beteiligen und das an einem der zentralen Plätze der Stadt, auf den Bänken am Adelhauser Klosterplatz in Freiburg, direkt vor dem Seniorenstift. Dort wollte ich sitzen und quadratische Grannys in den Farben der OPEN ART häkeln, während sich ältere Menschen zu mir setzten und von den Erfahrungen ihres Lebens berichteten. All diese Geschichten wollte ich aufnehmen und später als einen Teil der Arbeit abspielen lassen.
Alles hatte seine Struktur, seine Ordnung. Die Alten geben ihre Erfahrungen und ihr Wissen an die Jüngeren weiter, Granny fügt sich an Granny, Erinnerung an Erinnerung. Alles fügt sich in das Bild einer Kunst, die den Menschen nahe sein will, die zu ihnen kommt und sich direkt auseinandersetzt. Vergangenheit wird zu einem Werk, das den Faden der Kunst und den des Erinnerns miteinander verbindet. In all dem Planen, der Suche nach Erinnerung, dem Tun mit der traditionsreichen Häkelnadel dann die:
Unglaublich, was plötzlich um mich herum geschah! Die Straßen verödet. Die Atmosphäre gedrückt. Kein Mensch mehr unterwegs, den ich nach seinen Erinnerungen hätte fragen können. Es blieb mir nicht anderes, als nach Hause zu fahren. Doch schon unterwegs begann dieses Rumoren. Da geschah etwas, was völlig außerhalb der gewohnten Ordnung stand.
Virusse in vielen Farben
Und dann kamen sie, die Bilder der Viren. Auf allen Kanälen. In Dunkelrot, Orange, Gelb, Violett. Neue Wolle musste her. Sofort! Und jetzt werden keine geordneten Grannys mehr gehäkelt, sondern kleine, fast schon hinterhältige Provokateure, von denen manche so harmlos ausschauen, dass sie fast zum Kinderspielzeug taugen. Schon über zwei Wochen werden Wollknödel mit Krönchen produziert. Viren. Virusse mit kleinen Rüsselchen. Was uns da in diese besondere Lebensform zwingt, hat Gestalt und Ausdruck!
Am Rande ballen sie sich zusammen
Die Grannys bringen es inzwischen auf knapp zwei mal zwei Meter. Doch am Rande des Werks wachsen immer mehr der inzwischen fast liebevoll als Virusse bezeichneten Merkwürdigkeiten heraus. Auf der Fläche finden sich nur einzelne Exemplare, aber am Rand, da ballen sie sich gern zusammen. Sie engen uns immer stärker ein. Unser gesamtes Fühlen, Denken und Handeln steht unter dem Zeichen der Virusse. Die vertraute Ordnung ist in Frage gestellt. Neue Strukturen entstehen. Auf erinnertes Wissen, konsensfähige Wahrheiten und gewohnte Perspektiven ist kein Verlass mehr.