In Gedanken bin ich bereits zurück in Franken. Es ist der vierte Tag unserer Berlinexkursion. Ein leichter Spätsommer-Frühherbst-Sonntag. Wir laufen am Reichstagufer entlang, dem Spreebogen folgend, der quirlige Berliner Hauptbahnhof liegt hinter uns, die Regierungsgebäude vor uns.
Nach 3 Tagen Berlin mit seinen unterschiedlichen Kiezen fühlt es sich hier an wie in anderen Großstädten, wenn man Sonntag morgens am Fluss entlang schlendert. Vereinzelte Spaziergänger trotz strahlendem Wetter. Ein Radfahrer. Ein Touristenboot tuckert vorbei. Baukräne auf der anderen Seite des Flusses.
Vorbei am Bundeskanzleramt. Müsste ich jetzt eigentlich Bundeskanzlerinnenamt schreiben? Hierüber sinnierend verliere ich mich wieder in Gedanken an die kommende Woche. An die kleine Welt der Klosterbrauerei in Weißenohe, wo ich in ein paar Tagen einen Nachmittag lang Aufsicht in unserer Ausstellung „Eros, Tod und Hoffnung“ habe. Ein Glockenspiel unterbricht meine Gedanken. Dann der Ruf „… da gehen wir jetzt hinauf!“
„Forgive us our trespasses“
Nein, obwohl Sonntag und trotz des Satzes aus dem Vaterunser, trotz Glockenspiel vom Carillon, unser Ziel ist keine Kirche, sondern das Haus der Kulturen der Welt, kurz HKW. Der programmatische Titel hatte uns schon etwas verunsichert. Mehr aber noch die Aufgabenstellung, die wir für diesen Vormittag noch von Christiane ten Hoevel bekommen hatten. Für diese Ausstellung im Vorfeld einen Künstler oder eine Künstlerin heraus zu suchen und einen kleinen Vortrag über sie /ihn / es vorzubereiten fiel uns allen schwer, denn die Unterlagen im Vorfeld waren dürftig.
Anders dann das magentafarbige Handbuch, das wir gleich im Eingang erhalten. Zu unserem großen Glück, wenn auch völlig unerwartet, sollte gleich eine Führung durch die gesamte Show beginnen. Dieser verdanken wir, daß wir in einem komprimierten Schnellverfahren knapp etwas über das Gebäude, die ehemalige Kongresshalle mit wechselvoller Geschichte, und die darin stattfindende Ausstellung erfahren. Bei manchem ausgestellten Kunstwerk, war bei der einen oder anderen Kollegin ein deutliches „Aha“ zu vernehmen. Sprich: Der oder die vorausgewählte Künstler:in ward endlich entdeckt.
„Von (un)wirklichen Grenzen, (Un)Moral und anderen Überschreitungen“
Soweit der Untertitel der Ausstellungsidee. Über die Vielfalt der Exponate hierzu und über die vertrete Künstlerschaft läßt sich am besten hier detailliert nachlesen, denn es würde den Rahmen meiner Aufzeichnungen völlig sprengen und es sollen lediglich ein paar der folgenden Fotos etwas von unserem Rundgang erzählen.
LITTLE RED THING
Auch über den von mir ausgewählten Künstler und meinem Lösungsansatz der Aufgabenstellung werde ich in Kürze hier mehr berichten.
Nach dem Rundgang und einem kurzen letzten gemeinsamen Lunch im Restaurant „Weltwirtschaft“ – übrigens: super knusprige Pizza- wurde unsere Gruppe rasant kleiner. Die einen mussten zum Zug, die anderen hatten unterschiedliche Pläne, was sie noch an Ausstellungen sehen wollten. Ein letzter Blick hinüber zum Carillon, dem Glockenturm. Vorbei an der Plastik Butterfly von Henry Moore rennen wir dem Bus entgegen.
Glücklicherweise bekam ich an diesem Nachmittag noch eine kleine Sightseeing Tour, nachdem es mal nicht unterirdisch weiterging. Vorbei am Schloß Bellevue, durch den Tiergarten über Bahnhof Zoo dann weiter mit dem nächsten Bus zum Georg Kolbe Museum. Gefühlt hatten Christiane und ich an diesem Spätnachmittag mit dieser ausgiebigen Fahrt halb Berlin umrundet.
„Ich weiß, daß ich mich verdoppeln kann.“
Die derzeitige Ausstellung dort empfand ich als wunderbaren Abschluss und auch absolut sehenswerten Gegensatz zu vielem, was wir in den letzten Tagen angeschaut hatten. Im Vorwort des schmalen Katalogs heißt es „Giselle Vienne und die Puppen der Avantgarde bringt zwei Epochen, die Moderne und unsere Gegenwart sowie unzählige Welten zusammen …“.
Ein treffender Satz, der nicht nur diese zauberhafte Ausstellung charakterisiert, sondern nach meinem Empfinden genauso als passender Titel für unsere Exkursion hätte stehen können.
Meine abschließende Empfehlung, falls Sie bis zum 09. März 2025 noch nach Berlin kommen:
Georg Kolbe Museum
Sensburger Allee 25
14055 Berlin
Allein schon das Wohn- und das Atelierhaus des Bildhauers in einem Garten der an Südfrankreich erinnert, ist für an Architektur Interessierte sehenswert. Er, sowie die verzauberte Puppenwelt der Giselle Vienne ist einen Abstecher aus der lärmenden Großstadt wert. Und zum stilvollen Abschluss ein gemütlicher Kaffee oder ein sprudelndes Erfrischungsgetränk im Cafe Benjamine … Viel Vergnügen!