SOUVENIR oder DIE FÄDEN DER ERINNERUNG
Was ist es nur?
Ist es das ROT? Ist es das Wort BURG? Was ist es, das die roten Fäden auf der Suche nach Souvenirs anzieht? Nun, es sind ganz unterschiedliche Kriterien, nach denen wir unseren Reiseplan für die nächsten Wochen zusammenstellen: Zunächst ist es der Finger auf der – immer noch – analogen Landkarte von Franken, dann die voraussichtlichen Hitzegrade des diesjährigen Hochsommers sowie die Wochentage.
Schließlich waren wir noch immer nicht in ROTh, auch noch nicht in CoBURG. Andererseits haben wir mit unserem laufend größer werdenden Textilobjekt doch schon einige der Randbezirke Frankensbesucht. Ach ja, die Randbezirke dieses Frankenlands. So wichtig, wie die Orte ist uns der Prozess an sich, sowie die Gespräche, die wir dabei führen. Wir verstehen unser Projekt als ‚work in Progress’, bei welchem alles zählt, nicht ausschließlich das ‚Endprodukt‘. Nicht die Anzahl noch die Entfernung der von uns ausgewählten Orte. Das Wichtigste: Die Menschen, die wir dabei antreffen.
Süd-Süd-West
Bei der Auswahl der Orte, entscheidet jedoch häufig der Blick in den Kalender: Ach nein, Samstag geht überhaupt nicht – da sind alle nur mit Einkaufen beschäftigt, wollen, so schnell, wie möglich, an den roten Stiefeln und dem ‚seltsamen’ Textilobjekt vorbei. Bloss nicht angesprochen werden: „… ich muss gleich noch im Garten die Hecke schneiden …“. Logisch, Prioritäten – kein Interesse an unserer Arbeit im öffentlichen Raum, an roten Fäden und Souvenirs.
Diese Überlegung leitet uns ebenfalls bei der Auswahl für unseren nächsten Besuch. Rothenburg, das Touristen ‚musst see‘, denn, so viel ist klar, da müssen wir auf alle Fälle hin. Gerade weil die mittelalterliche Stadt direkt an der Grenze zu Baden-Württemberg liegt, ist sie damit ein extremer Fall für unsere Suche nach in Franken gelegenen Orten. Da wäre doch noch Feuchtwangen, oder? Ausgeschieden, es hat weder Rot noch Burg im Namen. Außerdem ist es längst nicht so grenzwertig wie Rothenburg. Also, auf geht’s, Richtung Süd-Süd-West. Unsere Entscheidung ist gefallen, Rothenburg o.d. Tauber an einem Montag zu besuchen, denn da sind nämlich keine …
Staubiges Mittelalter
Keine Busse, keine Touristen, keine … ? Zunächst, zum wiederholten Mal, ein kleines Missgeschick am Ortsschild. Meine roten Knäuel wollen beim FotoShooting partout nicht mitmachen und rollen frech in den Streifen, zwischen staubiger Bundesstraße und staubigen Grünstreifen. Es soll überhaupt staubig bleiben, an diesem heißen Montag Vormittag im Juli 2023. Statt der erwarteten mittelalterlichen Türmchen Romantik empfangen uns gähnend leere Schaufenster von verwaisten Ladengeschäften mit ‚zu vermieten‘ Zetteln. Ausgerechnet, als wir das erste Türmchen in einem kurzen Video festhalten, fängt ein Bagger neben uns mit seiner Arbeit an. Staub. Lärm. Ende der Romantik.
Zum Glück gibt es den QR Code
Da muss doch noch irgendwas kommen? Begleitet von den inzwischen wieder eingesammelten roten Wollknäueln, setzen wir unseren Weg Richtung Rathaus fort. Unser Plan geht nicht auf. Weder der ausgewählte Wochentag, noch die hochsommerliche Hitze halten die Touristenscharen auf, ihre Smartphones zu zücken. Sprachengewirr. Reisegruppen. Fähnchen schwenkendes „Follow me!“.
Da, endlich, gegenüber der dicken Steinmauer, ein zauberhaftes Cafe, verlockend duftende ‚Schneeballen’ in allen denkbaren Variationen, ein Plätzchen im Schatten. Sofort nehme ich das Textilobjekt aus der Tasche, denn schließlich ist es unser Anknüpfungspunkt im wahrsten Sinne des Wortes. Während die freundliche Bedienung Berge von Tassen und Gläsern auf ihrem Tablett abträgt, wirft sie einen Blick auf das schwarz-rote Objekt. „Was ist denn des?“ Ja, es sieht inzwischen etwas mystisch aus. „Es könnte so eine Art Schwalbennest sein. Oder wird es vielleicht eine Art Kopfbedeckung?“ fragt sie freundlich interessiert.
Sind wir nicht alle stets auf der Suche nach Assoziationen? Zwei Punkte, ein Strich- logisch ein Gesicht. Was könnte es sein oder werden, dieses rot schwarze Gebilde, etwas staksig, etwas unförmig? Leider ist ihre Zeit zu knapp, als dass wir unser Projekt zur Jahresausstellung des BFK eingehend erklären können, das erledigt später unsere Karte mit dem QR Code. Schön wäre jetzt, wenn sich ein Gespräch mit den Gästen, am Nebentisch entspinnt. Aber, leider: unsere Hoffnung geht wieder nicht auf … man spricht holländisch. Laß uns nochmals den Marktplatz, überqueren dort ist doch der Kunstverein. Ein Zettel verkündet: „Heute leider geschlossen“. Montag scheint nicht unser Glückstag zu sein.