In Gedanken war ich gerade noch bei meiner Ausstellungsteilnahme in Weißenohe und dem Seminar zur ART WEEK 2024 in Berlin. Die Reisetasche aber war bereits gepackt für einen Kurztripp, der dieses Mal etwas südlicher gehen sollte, nämlich nach Kärnten.
Wann war ich hier zuletzt? Richtig, bei einem Auftrag am Wörthersee. Ich erinnere mich noch an die exklusive Lage des Wohnhauses, an ein gigantisches Feuerwerk über, und an ein Denkmal von Roy Black, direkt am See.
Dieses Jahr aber zog es mich nach Kärnten, weil ich seit 2021 häufiger schon von der MillstART lese. Also wieder auf zu einem See, dieses Mal jedoch zum Millstätter See! Obwohl sich das für dort erwartete mediterrane Klima, leider nicht zeigte, muss ich im Nachhinein feststellen: Dieser Besuch hat sich absolut gelohnt.
schön! – das leben
Der Titel der Ausstellung eine klare Ansage. Ebenso wie der stylische Ausstellungskatalog, der es auf Seite 15 so beschreibt: „Ja! Kunst kann wirklich aus dem alltäglichen Leben schöpfen und voll Humor sein …“.
Zuerst gönne ich mir noch ein Tasserl heiße Schokolade – „natürlich mit Schlag, Gnä Frau“. Im Regen dann, vom grauen See hoch zum Stift stapfend, komme ich ins Grübeln, was uns Kunst vermitteln will. Oder kann.
Zwei überdimensionale blaue Lettern begrüßen zum Empfang auf der Stiftswiese: W E T.
Wie passend: Soeben hat es noch aus dicken Wolken gegossen. Doch gleich, hier im Innenhof des ehrwürdigen Klosters, unter der 1000- jährigen Linde, wartet eine freundlich lächelnde junge Dame, die zur Führung durch die MillstattART einlädt. Wir sind gerade mal 7 Personen, die Führung gratis. Alles klar W E T!
Ich nehme es vorweg: Die von Tanja Prušnik kuratierte Ausstellung übertrifft meine Erwartungen. bei Weitem. Die Künstlerin und Kuratorin hat eine spektakuläre Gruppenshow geformt in diesem verzweigten Areal, mit Kreuzgang und Stiftskirche, mit Mottozimmern, Garage sowie einer Waschküche. Bei der fangen wir an.
Waschküche mit Frosch
Ein außergewöhnlicher, karger Raum, den ein schlichtes Tonnengewölbe überragt. Alles weiß geschlämmt. Historisch gesehen wurde hier in Bottichen und Zubern die dreckige Wäsche aus dem Stift gewaschen. Heute überraschen uns die „Ersatzwelten“ des Alex Kiessling, einem Künstler, der zwischen Niederösterreich und Südafrika pendelt.
Diesem Pendeln folgt das Auge. Wandert hin und her zwischen einem alten Gussbecken, das in eine Raumecke geklemmt scheint und dem antiquarisch anmutenden Heizkessel in einer Wandnische. Neben dem Kessel ein riesiges schwarzes Tondo, auf dem uns ein violetter Affe entgegen blickt, daneben hockt ein Zwerg aus Glas vor einem farbenfroh leuchtenden Gemälde. Da, noch ein steinerner Trog. Darauf Kunst: Drei nach oben gerichtete Köpfe. Schreien sie? Was schreien sie? Ein Video, ein weiterer Frosch, UV-Licht … Multimediales mischt sich leichtfüssig mit klassischer Malerei. Bereits in diesem kleinen Raum schleicht sich das Gefühl ein, schon ausreichend Kunst gesehen zu haben. Doch unsere Führerin lockt mit ihren fachkundigen Ankündigungen die Minigruppe über den Hof.
Bla Bla das leuchtet
Von jetzt an geht es Schlag auf Schlag, oder besser: Es folgt Raum auf Raum. Sie ruft zur Vorsicht auf, als sie uns zum Abstieg in den von Kreuzgewölben überspannten Gewölbekeller leitet. Hier die Arbeiten von Gabi Mitterer.
Die Werke in der Garage, die faszinierenden Keramik Vasen Objekten von Gerold Tusch und die streng geometrischen Arbeiten der italienischen Malerin Esther Stocker beschreibt der Katalog so: „… in ihrer Unterschiedlichkeit gehen sie mit Leichtigkeit fast einen dialogischen Tanz ein.“
Im Kreuzgang – ich lerne: er ist überwölbt von „Sterngratgewölben“ – begegnen uns die „Alibifunktionen“ erfüllenden, prunkvollen Objekte, nochmals von Gerold Tusch, in einer meterlangen Wandarbeit. Sie wechselt sich ab mit den gerasterten Knitterskupturen von Edith Stocker.
Spiegeleier auf dem See
Wir hätten mit Sicherheit noch viele Stunden im ehemaligen Kloster verbringen können. Doch inzwischen wird es draußen dunkel. Die bislang betrachteten Werke und die Namen von unzähligen Künstlern und Künstlerinnen schwirren durch unsere Köpfe. Jeder der kleinen Gruppe hat inzwischen seine bzw. ihre Kunst-Favorit:innen entdeckt. Die folgenden Fotos können lediglich einen winzigen Teil des Gesehenen wiedergeben.
Nach einer weiteren Stunde Führung durch den Nordflügel des Klostertrakts, zieht es uns hinaus, denn über der Strandpromenade erstrahlt inzwischen die Fassade in der „Compositions of Lines“ des Grazer Künstlerkollektivs OchoReSotto. Statische und bewegte Linien verzaubern in einem dynamischen Spiel das ehrwürdige Stiftsgebäude.
Auch wenn uns an diesem Abend das Gefühl einholt, wir hätten doch alles gesehen, unterliegen wir einer Täuschung. Die humorvolle Arbeit „Sonny side up“ von Gert Resinger bleibt uns für morgen. Ob es die Sonne am nächsten Tag wohl wagt, auf die beiden im See schwimmenden Spiegeleier des international tätigen Österreichers herunter zu blinzeln?